Neue wissenschaftliche Methode in der Zucht - Genetische Diversität!

Seit einigen Jahren versuchen wir, uns peu à peu mehr Wissen um Genetik und Epigenetik anzueignen. Wie bekannt, hat der Picard nur einen kleinen Genpool und wir als erfahrene Züchter versuchen, die Verpaarungen so breitgefächert wie nur möglich zu planen und durchzuführen.

Das oberste Ziel und die größte Herausforderung in der Zucht ist, die genetische Vielfalt (Diversität) zu erhalten bzw. idealerweise zu verbessern! Dass ein hoher Inzuchtkoeffizient gesundheitliche Einschränkungen für das einzelne Individuum bedeuten kann, sollte inzwischen bei allen in der Zucht Tätigen angekommen sein. Grund dafür ist der Varianzverlust der Gene bzw. die niedrige Gen-Diversität! Wie entsteht diese?

Bisher wurde in der Rasse(hunde)zucht durch die Methodik der Inzucht die Erzielung von Homozygotie/ Reinerbigkeit angestrebt, um damit die standarderwünschten Eigenschaften zu verstärken.

Zur Erläuterung: Fakt ist, dass sich eine Homozygotie (Reinerbigkeit) negativ und eine Heterozygotie (Mischerbigkeit) positiv auf die biologische Fitness eines Individuums auswirkt.

Doch ganz gezielt nur bestimmte Gene reinerbig zu gestalten ist leider nicht möglich. Die Gefahr bei der selektionierten Zucht besteht darin, dass auch Erbanlagen kodiert werden, die dann zur Anhäufung von Krankheiten führen können. Dazu kommt, dass bei einer hohen Homozygotie auch Gene unwiederbringlich verloren gehen können.

Das Problem und die Folgen dieses Zuchtverfahrens wurden bereits im letzten Jahrtausend erkannt und seitdem versucht man, bei Verpaarungen auf den Inzuchtkoeffizienten-IK (der IK sollte möglichst gering gehalten werden, optimal wäre 0,0 %) und auf den Ahnenverlustkoeffizienten-AVK (optimal wäre 100%) zu achten. Die Errechnung beider Werte erfolgt über die Berechnung beider Ahnentafeln (errechnet auf 5 Generationen). Dieses veraltete Vorgehen war bisher die Methode der Wahl. Es sind selbstverständlich nur theoretische Werte, also Orientierungshilfen und keine realen Werte.

Zur Erläuterung: Angenommen, es werden in einem Wurf fünf männliche Welpen geboren, so haben alle fünf kleinen Lebewesen unterschiedliche Genvarianten, denn es sind keine fünf Klone! Aber, das Ergebnis einer Berechnung für eine mögliche Verpaarung mit einer Hündin ergibt für alle fünf Rüden die gleichen theoretischen IK und AVK Werte! Diese Berechnung ist also eine rein theoretische Berechnung!

Seit kurzem gibt es durch die Molekularbiologie eine Möglichkeit, die tatsächliche Genvielfalt zu bestimmen! Das heißt, bei jedem einzelnen Hund wird Blut abgenommen und individuell analysiert.

Erläuterung: Umso mehr unterschiedliche Genvarianten (Allele) in einer Population vorliegen, umso besser ist die Anpassungsfähigkeit von Individuen auf sich ändernde Umweltbedingungen. Die genetische Diversität bildet die Basis für die genetische Fitness zu der Vitalität, Krankheitsresistenz und Fruchtbarkeit zählen.

Doch wie lässt sich die genetische Diversität eines Individuums ermitteln? Dank der modernen Molekulargenetik ist dies heute in einem umfangreichen Ausmaß möglich. Dabei lässt sich die genetische Varianz in funktionellen Genen, wie den sogenannten Dog -Leukocyte – Antigen (DLA-Genen) ermitteln oder dank der neuen Diversitätsanalyse großflächig über das gesamte Genom eines Hundes feststellen.

Weiter werden für die genomweite genetische Diversität bei jedem Hund mehr als 170.000 genetische Marker, sogenannter SNP (Single Nukleotide Polymorphismus), bestimmt. Mit diesen Daten lassen sich genetische Unterschiede einer Population aufdecken, Verwandschaften von Hunden, unabhängig von Ahnentafeln, ausfindig machen, optimale Paarungspartner, basierend auf den genetischen Daten, finden und/ oder der genomische Inzuchtkoeffizient (GIK) ermitteln.

Die Berechnung der GIK’s beruht ausschliesslich auf den genomischen Daten, die in bestimmten Bereichen der DNA verwendet werden und spiegelt die reale genetische Situation wieder. Diese GIK’s können für 3, 6, 12, 25 und 50 Generationen in den Ahnen zurück berechnet werden!

Durch die Bestimmung der tatsächlichen Gen-Diversität zweier Individuen können also in Zukunft Verpaarungen durchgeführt werden, die damit den Welpen die bestmöglichen genetischen Bedingungen als Grundlage für das Leben schaffen.

Diese Methodik hat uns sehr begeistert und überzeugt. Wir haben im Frühjahr 2019 begonnen, einige Picards untersuchen zu lassen.

Wir haben dazu auch Frau Dr. Sommerfeld-Stur befragt. Sie ist eine österreichische Populationsgenetikerin und sieht die Erhaltung der genetischen Varianz als eines der wichtigsten Ziele der modernen Hundezucht! Sie hat uns im Dezember 2019 folgendes dazu geschrieben:

Das ist ein sehr schönes und interessantes Projekt, das meines Erachtens langfristig in der Hundezucht sehr sinnvoll einzusetzen sein wird. Da diese Art von Anpaarungsempfehlungen ja noch „in den Kinderschuhen“ steckt, lässt sich der direkte Nutzen in einer bestimmten Population nicht abschätzen. Von der Grundlage her erscheint es mir aber weitaus sinnvoller als die ja schon seit langem von vielen Zuchtverbänden verwendete Berechnung des Inzuchtkoeffizienten der Nachkommen. Denn der Inzuchtkoeffizient ist ja nur ein theoretischer Wahrscheinlichkeitswert, während in dem aktuellen Verfahren auf der Basis einer meines Erachtens wirklich repräsentativen Stichprobe genetischer Marker der individuelle genetische Status jedes einzelnen Hundes ermittelt werden kann. Ich kann also aus meiner Sicht nur empfehlen, auf diesen Zug aufzuspringen und damit allenfalls auch zu weiteren Erkenntnissen in diesem Bereich beizutragen.

Das hat uns bestärkt, weiter diesen Weg zu gehen. Wir haben uns entschieden, dass wir für unsere zukünftigen Würfe diese Möglichkeit der Molekulargenetik mitverwenden, um eine größtmögliche Genvarianz und damit auch eine Heterozygotie zu erreichen!

Selbstverständlich werden wir weiterhin die Voraussetzungen unseres Zuchtclubs erfüllen, wobei die alte Methode zur rein theoretischen Berechnung des IK und AVK für uns nur noch eine nachrangige Rolle spielen wird.

Wir setzen auf neue wissenschaftliche Methoden und würden uns sehr wünschen, wenn wir damit etwas für die Rassegesundheit der Picards beitragen können!

Quellen und mit freundlicher Genehmigung:
Feragen, Mag. Dr. Anja Geretschläger https://feragen.at/genetische-vielfalt/
Frau Dr. Sommerfeld-Stur, Populationsgenetikerin

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